Höhlen in der Löhrbachschlucht

Die Steinzeithöhlen  – Höhlen in der Löhrbachschlucht

(Grafik der Löhrbachschlucht  mit den Höhlen und dem darüber liegenden sog. Herrenplatz)

In unserem Heimatort Steeden bewegt man sich auf prähistorischen Boden. Die beiden heute nicht mehr vorhandenen Höhlen „Wilde Scheuer“ und „Wildes Haus“ waren bedeutend, da jungpaläolithische Funde in Hessen außerordentlich spärlich sind. In den beiden Höhlen fand man mehrere tausend Fundstücke eiszeitlicher Säugetiere, zahlreiche Stein- und Knochenwerkzeuge aus unterschiedlichen paläolithischen Kulturstufen sowie Schmuckobjekte, die wohl zu den ältesten „Kunstwerken“ von Hessen zählen.

Das frühe Jungpaläolithikum (etwa 35000 bis 29000 vor Christus) lässt sich durch die Aurignacienfunde aus der Wildscheuer und dem Wildhaus belegen (Steinartefakte aus Kieselschiefer, Speerspitzen aus Mammutknochen). Das mittlere Jungpaläolithikum (etwa 28000 bis 21000 vor Christus) kann man mit der Gravettien-Schicht aus der Wildscheuer (Funde aus Chalcedon und Feuerstein, verzierter Vogelknochen) nachweisen. Das späte Jungpaläolithikum (etwa 15000 bis 11500 vor Christus) ist allein durch die Magdalénienschicht der Wildscheuer belegt (Kratzer, Stichel, spitzklingenartige Bohrer). Die Höhlen waren in der Alt- und Mittelsteinzeit gleichzeitig von mehreren Familien der Cro-Magnon-Menschen bewohnt.

Die nach Südwesten offene Wildscheuerhöhle war am Eingang 6 m breit und 7 m hoch und führte 18 m tief in den Berg hinein. Die Höhle Wildhaus lag etwa 65 m südlich der Wildscheuerhöhle. Es handelte sich den Maßen nach eher um eine Felsspalte (54 cm breit, 3,5 m hoch, etwa 11 m tief), die bereits 3 m nach dem Eingang nur noch auf Knien begangen werden konnte.

Die ersten wissenschaftlichen Erwähnungen der Höhlen gibt es schon seit ca. 1846. Dort schrieb C. Thomä einen Artikel „Über das Vorkommen fossiler Knochen bei Steeten im Amte Runkel“: „Hier ist der Ort, wo Steinbrecher schon vor 6-7 Jahren unter Schutt und Felsen Knochen und Zähne von Säugethieren fanden, ohne dem Funde eine weitere Bedeutung beizumessen. Nur arme Leute aus Steeten, welche schon längere Zeit Knochen zu Dungmehl sammelten, nahmen sich Dessen, was hier von Gebeinen zufällig zum Vorschein kam, an und trugen es zur Knochenmühle in Limburg. …“

Die letzte Höhle, die sog. „Wildscheuer“, fiel mitsamt dort noch liegender steinzeitlicher Fundstücke in den 1950er Jahren dem Kalkabbau zum Opfer. Die Höhle „Wildes Haus“ wurde schon 1917/18 gesprengt.

Dazu kann man in einem Schreiben der damaligen Gemeindevertretung vom 12. Dezember 1916 an den Kreisausschuss des Oberlahnkreises folgendes lesen:

„Folgenden Pachtvertrag überreichen wir mit der Bitte um Prüfung und Genehmigung. Wir bemerken noch, dass das Pachtobjekt eine Höhle, das sogenannte „Wildhaus“, einschließt. Diese kann aber weder als Naturdenkmal noch als Sehenswürdigkeit betrachtet werden. Für Einheimische sowie Fremde ohne jedes Interesse bringt die Erhaltung solcher Höhlen hier keinerlei Ertrag. Eine Schonung macht Verkauf wie Verpachtung von wesentlichen Weißkalkfelsen hier unmöglich. Zur Deckung steigender Gemeindekosten müssen hohe Einnahmen gesucht werden. Wir dürfen wohl hoffen, dass ein ertragloser Felsspalt die Genehmigung nicht hindert!“

Die Sprengung der ersten Höhle hat viele Steedener in der damaligen Zeit sehr bewegt!

Heinrich Kramp schrieb 1940 deshalb folgendes Gedicht:

„Dort wo vor Altersgrauen Zeiten,

Mammut, Bär und Auerochs

noch kämpften um die besten Weiden,

liegt jetzt mein lieber Heimatort.

Nun liegt das schöne Tal verschandelt,

wo ich als Kind sooft gespielt,

für schnöden Mammon wurd’s verhandelt,

an dich Moloch Kalkindustrie.

Nur einsam auf verlornem Posten,

die Wilde Scheuer als Denkmal steht,

Kein Wandrer kommt auf seine Kosten,

der hoffnungsvoll mal zu dir geht.

Nun frag‘ ich Euch ihr lieben Alten,

warum habt Ihr nicht das schöne Tal,

für Eure Kinder so erhalten,

was Euren Ahnen heilig war?“

Zahlreiche Artefakte aus den Höhlen werden seit den ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen im Jahr 1870 im Landesmuseum in Wiesbaden aufbewahrt.

Heute befindet sich an der Stelle der Löhrbachschlucht ein Grundwassersee, welchen die Kalkwerke als Wasserspeicher für die Reinigung der gebrochenen Kalksteine benutzen.